CHL // Samstag, 30.05.2015
Die große Mission
Warum nimmt der ERC Ingolstadt wie 47 weitere Eishockeyclubs an der Champions Hockey League teil? Schlussendlich, um den Thron des europäischen Eishockeys zu besteigen, möchte man denken. Diese Antwort ist richtig – aber nicht vollständig und zu kurz gedacht.
Der anerkannte schwedische Eishockey-Schreiber und CHL-Kommunikator Szymon Szemberg hat einen bemerkenswerten Artikel veröffentlicht, der die genauen Ziele vorstellt. Der Essay ist in englischer Sprache verfasst und hier abzurufen: https://www.championshockeyleague.net/news/the-champions-hockey-league-has-an-important-mission/984/
Dt. Zusammenfassung
Für allen, denen es pressiert, eine sinngemäße Zusammenfassung: Szemberg argumentiert, dass Kanada und die USA die Eishockey-Welt nach Strich und Faden dominieren. Sie führen alle IIHF-Kategorien an: das Olympische Eishockey ebenso wie die Weltmeisterschaften bei den Senioren, Junioren und Nachwuchsteams. Der Autor formuliert im Anschluss die These, dass Europas Chance, aufzuholen, die Champions Hockey League ist. Sie dient nicht nur als sportliches Turnier, sondern auch als Ansporn, zur Vernetzung der Clubs und zum Wissensaustausch. Alle profitieren, alle entwickeln sich weiter - auch das europäische Eishockey an sich in Spitze und Breite.
Dt. Text in voller Länge
Die wichtige Rolle der Champions Hockey League
Kanada und die USA dominieren derzeit die Eishockey-Welt. Die nordamerikanischen Staaten haben die Titel aller Kategorien des Eishockeyweltverbandes IIHF inne: Olympische Spiele, Weltmeisterschaften der Senioren, Junioren und Nachwuchsklassen. Europa hat nun die Gelegenheit, das eigene Wettkampfniveau zu steigern: die Champions Hockey League (CHL). Der Wettbewerb befindet sich auf einer sehr wichtigen Mission.
Von Szymon Szemberg (dt. Übersetzung: Martin Wimösterer)
Bei ihrer Gründung 2013 (be)gab sich die Champions Hockey League eine Mission, die man auf die folgenden drei Punkte zusammenfassen könnte:
1. Fortentwicklung des europäischen Eishockeys, Erweiterung der Präsenzländer
2. Steigerung des Niveaus des europäischen Club-Eishockeys
3. Jährliche Ermittlung des europäischen Club-Meisters
Dieses Prinzip ist in Europa bereits erfolgserprobt: Clubs spielen sowohl in ihrer nationalen Liga, messen sich aber auch auf internationaler Ebene. In den 1950er Jahren installierte der Fußball den Europapokal der Landesmeister, der heute als UEFA Champions League bekannt ist. Es dürfte der erfolgreichste Club-Wettbewerb der Welt sein.
Auch alle anderen großen olympischen Mannschaftssportarten spielen ihre eigenen Europapokale aus: Basketball, Handball, Volleyball – und nun auch das Eishockey. Diese Veranstaltungen bieten großartige Unterhaltung und sorgen bei den Teilnehmern für Einnahmen. Neben diesem offensichtlichen Fakt wissen wir heutzutage aber auch, dass sie dazu beitragen, die Qualität der (sportlichen) Leistungen zu steigern – nämlich durch konstantes spielerisches Aufeinandereinwirken der Teilnehmer und durch den Wissenstransfer im europäischen Netzwerk.
Nirgends ist dieser Prozess besser beschrieben als in dem internationalen Bestseller „Soccernomics“ von Simon Kuper, Stefan Szymanski (in Deutschland unter dem Titel „Warum England immer verliert“ erschienen).
In einem Kapitel beschreiben die Verfasser den Aufstieg des spanischen Fußballs dank des Triumphes des europäischen Netzwerkes. Sie schildern, wie sehr der Fußball profitierte, als sich die Grenzen und zuvor verschlossene Staaten wie Spanien öffneten. Sie zeichnen nach, wie das Ende der Isolierung zur vollständigen Nutzung des europäischen Wissensnetzwerkes führte und damit den Sport förderte.
Wie kein anderer vermittelt die UEFA Champions League jährlich dieses europäische Wissensnetzwerkes. Die Spiele auf europäischer Ebene heben die Qualität der nationalen Ligaspiele an. Anstatt nur gegeneinander zu spielen, lernen die Clubs, Mannschaften und Spieler voneinander.
Die Trainer inspirieren einander und sie teilen ihr Wissen, oder nehmen ihr Wissen von einem Club zu einem anderen mit. Das genannte Buch nennt Johann Cruyff als Paradebeispiel. Der holländische Superstar nahm Wissen und Methodik bei Ajax Amsterdam auf und verbreitete das Gelernte, als er von Holland zum FC Barcelona wechselte.
Jedoch wird nicht nur auf der höchsten Ebene Wissen ausgetauscht. Vereine aus Ländern wie Dänemark, Schweiz, Österreich, Schweden, Türkei und Russland profitieren von Spielen gegen große Clubs wie Barcelona, Real Madrid, Juventus, Bayern München oder Chelsea.
Das zugrunde liegende Ziel ist „beide gewinnen“ und nicht „einer gewinnt, einer verliert“. Das hat den europäischen Fußball nicht nur unglaublich stark, sondern auch sehr reich gemacht.
Wir wissen auch, dass sich die Spieler in den Clubs entwickeln, in denen sie täglich trainieren und spielen. Sobald sie für das Nationalteam nominiert werden, bleibt keine Zeit für Entwicklung mehr. Das Trainingslager einer Nationalmannschaft ist eine bloße Vorbereitung, um die besten Spieler zu einer Einheit zu formen. Die Qualität der Nationalmannschaft spiegelt die Arbeit der Clubs wider.
Kommen wir zu unserer Sportart, dem Eishockey, zurück. Dort sehen wir einen klaren Trend auf internationaler Ebene, der bei den Olympischen Winterspielen 2010 in Vancouver begann. Kanada und die USA deklassierten damals ihre Kontrahenten. Die Kanadier gewannen auch die Spiele 2014 in Sotschi und – in einem Amoklauf – kürzlich auch die Weltmeisterschaft. In deren Finale verwandelten sie die russische Auswahl in Staub. 6:1 war der Endstand. Es ist die größte Differenz, mit der eine kanadische Mannschaft jemals gegen die Sowjetunion oder Russland gewonnen hat.
Wir erkennen, dass sich die Europäer schwer tun, Schritt zu halten, wenn Kanada und die USA für Olympia Kader voller Qualität nominieren.
Kanada hält auch den Titel in der Juniorenklasse. Die USA (sechs Siege) und Kanada (zwei Siege) haben zusammengenommen in den vergangenen acht Jahren stets die U18-Titel gewonnen. Die Fähigkeiten der kanadischen und US-amerikanischen Spieler haben sich in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren erheblich verbessert.
Es ist offensichtlich, dass Europa sich steigern muss. Gute Arbeit wird bereits von den Clubs und ihren Jugendprogrammen geleistet. Die Fähigkeiten, die sie so erhalten, wird auf nationalem Niveau erprobt und – im besten Fall – auch in den verschiedenen Nationalmannschaften.
Wie die UEFA CL im Fußball, so gibt nun die Champions Hockey League den Clubs die Gelegenheit, das Qualitätslevel zu steigern und zu sehen, wie gut sie wirklich sind. Mancher Club, der mit der nationalen Meisterschaft all seine Ziele erreicht sah, könnte von der CHL profitieren, wenn ihm bewusst wird, wie viel mehr nötig ist, in Europa zu obsiegen.
Für manche Ligen und Clubs können die internationalen Begegnungen zu einem unsanften Erwachen führen. Die Qualität, die man für den nationalen Titel brauchte, ist unter Umständen bei Weitem nicht genug, wenn es gegen Europas Beste geht. Die meisten Schritte in die richtige Richtung starten jedoch mit unsanftem Erwachen. Kanada erlebte dies ebenfalls.
Wie zu Beginn dieser Kolumne ausgeführt, ist es das erste Ziel der Champions Hockey League, das Eishockey in Europa fortzuentwickeln. Deshalb lautet das Motto der Liga „Where Europe Comes to Play“ (dt.: „Wo Europa zum Spielen zusammenkommt“, aber auch: „Wo Europa ins Spiel kommt“). Die Champions Hockey League ist nicht nur dazu da, den Besten Europas zu ermitteln. Sie ist ein Wettbewerb der Elite, aber nicht elitär.
Deshalb ist die CHL auch für die Ligen und Clubs aus der Slowakei, Norwegen, Dänemark, Weißrussland, Frankreich und Großbritannien da. Die meisten der etablierten Eishockey-Nationen und ihre Clubs sehen sich in der Verantwortung, ihre Qualitäten innerhalb des europäischen Eishockey-Wissensnetzwerkes zu teilen.
Nur dadurch kann sich das europäische Clubeishockey und dessen Spieler verbessern: Indem man sich miteinander misst – und großzügig Wissen miteinander teilt. Das ist die Mission der Champions Hockey League.
Der ERC in der CHL
Das Programm des ERC in der ersten Runde in der Übersicht. Die beiden Heimspiele in Ingolstadt steigen natürlich in der Saturn Arena - die Dauerkarte mit der Option auf die CHL gibt es bis zum morgigen Sonntag noch mit Frühbucherrabatt. Infos und Buchung unter www.erc-ingolstadt.de/tickets/dauerkarten
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